TAGEBUCH DER SOZIALBETREUUNG 2 VON X
Es passiert im Moment so vieles, dass wir mit dem Schreiben kaum hinterher kommen. Aus diesem Grund hört ihr heute eine etwas ältere Geschichte aus der Sozialen Arbeit.
Als wir vor einigen Monaten, noch vor Corona, beim Abendessen saßen, klingelte unser Telefon. Da es bereits nach 20 Uhr war, wollten wir zunächst gar nicht ans Telefon gehen, taten es aber dennoch.
Am Telefon war die junge Mutter Fatima (21), die mit ihrer Familie in Freiberg lebt. Fatima weinte und erzählte uns, dass sie starke Schmerzen hätte, sich aber nicht nach draußen trauen würde. Weiter erzählte sie, dass ihr Mann Mohammed in Nürnberg bei der Arbeit wäre und sie mit den Kindern alleine ist. Wir versuchten sie zu beruhigen und sie erklärte uns, was überhaupt passiert war.
Fatima hatte am Morgen ihre Kinder in den Kindergarten gebracht und wollte danach zum Zahnarzt, da sie seit einigen Wochen immer wieder Probleme hatte. Auf dem Weg zum Zahnarzt kam ihr ein Mann mittleren Alters entgegen.
Dieser musterte sie zuerst von oben bis unten und attackierte sie dann verbal: “Nimm den Putzlappen vom Kopf, Alte! Was willst du hier? Schere dich zurück in dein Land, Terroristen-Schlampe!“ u.v.m. musste sich Fatima anhören. Sie nahm ihr Handy und wollte die Polizei anrufen, als der Angreifer dies bemerkte. Er schlug die junge Frau von hinten aufs Schulterblatt und den Rücken.
Fatima nahm ihr Handy, schaltete die Kamera ein und nahm das folgende Geschehen auf.
Überrascht von dem Mut mit dem sie dem Angreifer entgegen trat, ergriff dieser die Flucht. Als Fatima endlich zuhause angekommen war, hatte sie Angst Mohammed anzurufen, da sie befürchtete, ihr Mann würde von der Arbeit herbeieilen, um sie zu unterstützen. Mohammed hatte ihr schon oft gesagt, dass sie das Kopftuch nicht tragen soll, um solche Situationen zu vermeiden. Aber Fatima möchte das Kopftuch tragen, da sie sich wohler und sicherer damit fühlt.
Fatima rief eine Freundin an, welche dann die Kinder vom Kindergarten abholte. Am Abend als sie etwas zur Ruhe gekommen war, nahm sie allen Mut zusammen und rief uns an. Als wir die Geschichte von Fatima hörten, starteten wir zugleich per WhatsApp eine Abfrage, wer Fatima am nächsten Tag zum Arzt bzw. zur Polizei begleiten könnte? Da leider niemand Zeit hatte, erklärte sich Tom (Vorstand) bereit, gleich nach seiner Nachtschicht, Fatima zu unterstützen.
Was am nächsten Tag passierte macht zwar sprachlos, hilft aber hoffentlich auch, dass der Täter zur Rechenschaft gezogen wird.
Also Tom bei Fatima ankam telefonierte diese gerade mit Mohammed und erzählte ihm alles. Dieser war so außer sich, dass Tom eine halbe Stunde brauchte um ihn zu beruhigen. Fatimas Mann versprach, dass er seine Arbeit fortführen und nicht nach Hause eilen würde.
Nach dem Telefongespräch machten sich Fatima und Tom auf zum Arzt. Auf dem Weg dorthin, wollte Tom sich noch etwas zum Trinken holen. Wie der Zufall es wollte, trafen die beiden dabei auf den Angreifer, der sofort wieder ausfällig gegenüber Fatima wurde. Tom stellte ihn zur Rede und sagte ihm, dass er die Polizei einschalten wird. Als der Angreifer dies hörte, versuchte er sich, wie ihr im Video sehen könnt, zu entfernen. Allerdings hatte er nicht mit der Hartnäckigkeit von Tom gerechnet. Denn so etwas lässt Tom nicht einfach durchgehen.
Bitte wundert euch nicht über die leichte Arroganz die Tom im Video an den Tag legt. Es ist eigentlich nicht seine Art, so mit Menschen umzugehen, aber bei dem Angreifer konnte er nicht anders.
Als die Polizei endlich eintraf, erklärten Fatima und Tom kurz die Ereignisse. Leider war der Angreifer Martin W. zu diesem Zeitpunkt bereits ins nahegelegene Wohngebiet geflüchtet und nicht mehr auffindbar. Aber der Zufall sollte den Beiden noch ein zweites Mal helfen. Während des Gespräches mit der Polizei kam ein Passant dazu, der eigentlich nur eine Frage an die Beamten hatte. Diese verwiesen ihn ans nahegelegene Polizeirevier, was sich später als glückliche Fügung herausstellte.
Die Beamten nahmen Fatima und Tom mit auf das Polizeirevier. Nach etlicher Zeit im Wartebereich wurde Fatima von einer sehr netten Kommissarin vernommen.
Zur gleichen Zeit traf auch der Passant im Polizeirevier ein. Tom und der Mann kamen in der Wartezeit ins Gespräch und dieser fragte, was denn los gewesen sei? Tom erzählte ihm kurz die Ereignisse und zeigte dem Passanten ein Foto des Angreifers. Der Passant erkannte den Angreifer und konnte den Beamten sogleich alle wichtigen Informationen, wie z.B. den Namen mitteilen.
An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank an den Passanten.
Am gleichen Tag kam auch Mohammed zurück aus Nürnberg. Nach einem Gespräch mit unserem gesamten Vorstand versprach er, nichts zu unternehmen und bedankte sich bei Tom, dass er die Ehre seiner Frau wieder hergestellt hätte.
Fatima und Mohammed sollten am nächsten Tag die Verletzungen (Prellung der Schulter und ein Schleudertrauma) von einem Arzt dokumentieren lassen und bei der Polizei den Bericht abgeben. Was sie natürlich machten.
Die folgenden Wochen und Monate waren für Fatima von Angst geprägt, aber sie hat sich mittlerweile einigermaßen erholt und wartet geduldig, sowie wir, auf den Prozess.
*Namen geändert
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