Rassismus in Sprache
und was das mit mir zu tun hat
Der Titel unseres Artikels wirft sicherlich bei dem ein oder anderen große Fragen auf. Rassismus ist ein Problem, welches uns leider täglich begegnet, auch in unserer Sprache. Wir haben uns mit diesem Thema, aus der Sicht von weißen Deutschen, auseinandergesetzt. Unser Ziel ist es aufzeigen, warum wir daran etwas ändern müssen und wie es uns gelingen kann, dass wir endlich in einer Gesellschaft leben, wo auch durch unseren Sprachgebrauch niemand mehr durch rassistische Äußerungen erniedrigt oder ausgegrenzt wird.
Wir haben uns zu dem Thema mit einschlägiger Literatur befasst und mit Betroffenen gesprochen.
Uns geht es in diesem Artikel in erster Linie nicht um die Art von Rassismus, die auch sofort als solcher erkannt wird. Die darauf ausgelegt ist, jemanden offen anzugreifen und rassistisch zu beleidigen. Sie zu erkennen und zu bekämpfen ist ebenfalls wichtig, doch wenn wir nur die offensichtliche Form von Rassismus im Auge behalten, dann verdecken wir die Tatsache, dass die Wurzeln des Rassismus viel, viel tiefer in unseren Alltag verankert sind, als wir uns eingestehen wollen. Was uns deshalb interessiert, ist der Rassismus, der sich in Alltäglichem verbirgt, in Floskeln, Phrasen, Denkmustern. Er verbirgt sich in einer scheinbaren Normalität, die denen, die nicht davon betroffen sind, völlig selbstverständlich und harmlos erscheint. Auch denen, die unter dieser Form des Rassismus zu leiden haben, fällt es manchmal schwer, ihn klar als solchen zu benennen, weil er sein Gift so beiläufig verteilt. Genau das fördert seine Verbreitung und macht es andererseits so schwierig, ihn zu benennen und aus der eigenen Sprache zu verbannen.
Wir schauen uns heute ein Beispiel an, das vielen sicherlich bekannt ist, auch wenn es (zum Glück) etwas aus der Mode gekommen ist. Es geht um die Bezeichnung
Ausländer:in
Auch wenn dieses Wort inzwischen nicht mehr ganz so weit verbreitet ist, geht es vielen Menschen immer noch sehr leicht über die Lippen. Außerdem gibt es eine Reihe von Begriffen, die etwas ähnliches ausdrücken sollen: „Migrationshintergrund“ zum Beispiel, „Passdeutsche“ oder „Asylbewerber:in“. Aber warum sind diese Begriffe rassistisch? Wenn jemand aus dem Ausland kommt, ist das doch erst einmal nur eine Feststellung, oder? Schauen wir uns an, wer im Alltag mit diesem Wort bezeichnet wird, dann stellen wir fest, dass es selten für die Personen verwendet wird, die der Staatsangehörigkeit nach „ausländisch“, also nicht-deutsch sind. Wie auch, wir können ja nicht einfach Ausweiskontrollen durchführen. Daher sind wir bei der Einordnung im Grunde gezwungen, nach dem zu gehen, was wir sehen und hören können: Hautfarbe, Akzent, Sprache, Verhalten. Und da beginnt der Rassismus. Denn plötzlich unterscheidet nicht die Staatsangehörigkeit über „deutsch“ oder „nicht-deutsch“, sondern Äußerlichkeiten, die rein gar nichts mit dem staatsrechtlichen Status der Person zu tun haben. So trifft die Bezeichnung „Ausländer“ auch Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit, die „ausländisch“ (also nicht-deutsch) wirken und das wird in der Regel nicht der norwegische Einwanderer sein, sondern eher der türkische oder ghanaische Einwanderer – egal, wie lange sie/er bereits in unserem Land lebt, ob sie/er hier geboren wurde, ob sie/er einen deutschen Pass besitzt oder nicht. Der Begriff suggeriert also die Existenz bestimmter äußerer Merkmale, die erfüllt sein müssen, um als deutsch und nicht als „Ausländer:in“ oder „Person mit Migrationshintergrund“ zu gelten. Umgekehrt werden die als „Ausländer:in“ angesprochen, die diesen unausgesprochenen Vorgaben nicht entsprechen, sei es durch Name, Haut- oder Haarfarbe, Verhalten, etc. Diese Merkmale sind aber keine juristischen Kategorien, sondern schlicht und einfach Äußerlichkeiten, die nur für den Rassisten die Einordnung von Menschen ermöglichen: in deutsch/nicht-deutsch, gut/schlecht, faul/fleißig, ehrlich/kriminell.
Aber kann es überhaupt so eine klare Definition von deutsch-sein jenseits des Staatsbürgerrechts geben, die nicht rassistisch ist? Wie man auch an der immer wiederkehrenden Debatte um eine „Leitkultur“ erkennen kann, lässt sich das deutsch-sein als nicht-juristischer Begriff nicht eindeutig erklären, es sei denn, man verlegt sich auf Biologie und eben die äußeren Merkmale. Dann ist schnell die Rede von „der deutschen Rasse“ und wo „Rassen“ auftauchen, da gibt es praktisch automatisch auch eine Hierarchie der „Rassen“. Und schon ist man im Rassismus angekommen. Die einzig umfassende Definition von “Deutsch” und “Ausländer” neben der juristischen Kategorie der Staatsangehörigkeit, die ja keine Unterschiede bei Hautfarbe, Religion und Abstammung macht, wäre also die des Rassismus, in der das “deutsch-sein” auf die Abstammung zurückgeführt wird. Von „echten Deutschen“ zu sprechen bedeutet in diesem Zusammenhang also immer, von einer „Rasse“ zu sprechen, die sich durch bestimmte Merkmale von anderen abhebt. Insofern wird der „Rasse“-Begriff immer mitgedacht.
Autor
Musiker, Vereinsmitglied, Redaktion ZIVD ehrenamtlich